Der Blue Eyes Brown Eyes Workshop geht unter die Haut
Als Teilnehmerin bei Blue Eyes Brown Eyes wusste ich nicht, worauf ich mich einließ. Ich hatte Beschreibungen gehört, wie „Das muss man erlebt haben, das kann man nicht in Worte fassen“ oder „Unbeschreiblich. Nicht unbedingt auf eine positive Art“. Das packte mich und ich wollte wissen, was es damit auf sich hat. Ich wusste also nur, dass es ein Workshop ist, der sich intensiv mit Diskriminierung auseinandersetzt. Wie intensiv das tatsächlich war, hatte ich nicht erwartet.
Der Workshop ist eine Erfahrung, die keinen Teilnehmenden unberührt lässt. Auf eine sehr emotional packende und gezielte Weise wird das Thema Diskriminierung vermittelt. Das Konzept basiert auf einem berühmten Experiment der Grundschullehrerin Jane Elliott aus dem Jahr 1968.
Die Ursprünge des Experiments
Jane Elliot entwickelte das Blue Eyes Brown Eyes Experiment, um ihren Schülern die Auswirkungen von Rassismus zu verdeutlichen, insbesondere nach dem Attentat auf Martin Luther King. Sie fragte sich, wie sie ihrer Klasse verständlich machen soll, dass Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale erschossen werden. Für das Experiment teilte sie ihre Klasse nach der Farbe ihrer Augen in zwei Gruppen und wies diesen Gruppen willkürlich unterschiedliche Rollen zu: die Blauäugigen wurden bevorzugt behandelt, während die Braunäugigen Diskriminierung erfuhren. Die sofortigen Reaktionen der Schüler zeigten tiefgreifende Auswirkungen dieser willkürlichen Trennung.
Der Workshop
Ungefähr so ähnlich lässt sich beschreiben, was an dem Workshop-Tag passiert. Menschen werden willkürlich unterschiedlich behandelt. Allein dadurch fühlt man sich gewissen Menschen verbunden, man nimmt automatisch eine Rolle ein, ohne es zu merken. Der Tag ist geprägt von Privilegien, Ungerechtigkeit, Unvorhersehbarkeit und großen Emotionen. Eigentlich so, wie unser tägliches Leben. Ein Großteil der Teilnehmenden wurde regelrecht aus der Bahn geworfen. Die Schnelligkeit mit der man von einem Ereignis zum nächsten jagt, die Diskriminierung, die man jederzeit sieht und doch nicht abwenden kann, der Magen, der sich zusammenschnürt und man gefühlt keinen Ausweg findet. Obwohl wir nur von einem Tag sprechen, ist dieser Workshop prägend gewesen für das emotionale Gleichgewicht der Teilnehmenden, was eine Diskussionsrunde im Anschluss sowie eine weitere Runde Wochen später offenbaren.
Seyda Buurman-Kutsal, Trainerin für Organisationsentwicklung mit dem Schwerpunkt Diversität und Inklusion, leitet den Workshop mit ihrem Team erfahrener Trainer. Sie führt die Teinehmenden an diesem Tag durch das schwere Thema und schafft durch ihre Art eine sichere Umgebung, bei der wir uns öffnen und lernen können. Ihre besondere Art ist auf jeden Fall ein großer Erfolgsfaktor dieses Tages.
Der Workshop ist bewusst so gestaltet, ausreichend Raum für Fragen und Austausch zu geben. Das Erlebte möchte verarbeitet werden, die Teilnehmenden nutzen die Zeit für eine Reflektion der Geschehnisse und die Analyse eigener Verhaltensweisen. Am meisten packte mich die Erkenntnis, dass wir über Alltagsdiskriminierung sprechen, die jeden Tag vor unser aller Augen stattfindet und die wir oftmals schon gar nicht mehr als solche wahrnehmen. Täglich werden Menschen ob ihrer unterschiedlichsten Merkmale diskriminiert: zu klein, zu dünn, zu alt, zu unerfahren, zu dunkel, zu kurz, zu weiblich, und und und …
Reflektion
Diskriminierung erfolgt auf vielen Dimensionen. Beginnend bei Persönlichkeitsmerkmalen über Merkmale wie Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe. Doch auch Auftreten, Familienstand oder simple Gewohnheiten reichen oftmals aus, Menschen zu zeigen, dass sie nicht ‚ebenbürtig‘ sind. Ebenbürtig zu was bzw. zu wem eigentlich? Wer gibt diese Norm in unserem Leben vor, an der wir uns orientieren? Was ist schon normal?
Das Leben ist bunt und vielfältig und genau das macht es doch aus! Dieser Workshop hat Power. Er zeigt uns deutlich vor Augen wie viel Diskriminierung unsichtbar ist, obwohl sie vor unseren Augen passiert. Die Teilnehmenden werden herausgefordert und an ihre Grenzen gebracht. Gleichzeitig ist es eine Inspiration aktiv etwas ändern zu wollen und sich den vielen Ungleichheiten entgegenzustellen. Und dennoch hilft es hier sich Schritt für Schritt voran zu tasten, denn selbst wenn wir es wollen, können wir nicht von heute auf morgen die Welt verändern. Aber auch kleine Schritte zählen.